RÜSTRINGER HEIMATBUND e. V.

 

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Der Maienstrauch war ein Zeichen für die Liebe

Ein Baum, der keine Grenzen kennt, symbolisiert das grenzenlose Europa im Jahre 2000: die Sandbirke. Sie ist zugleich die häufigste europäische Birkenart. Lange Zeit galt sie in der Forstwirtschaft als Unkraut und als Zeichen für faule Förster. Zu Unrecht, wie wir heute meinen. Über diesen ebenso hübschen wie nützlichen und zähen Baum berichtete Philipp Fürst aus Rodenkirchen einmal beim heimatkundlichen Klönabend des Rüstringer Heimatbunds.

Die Birke tritt hier in zwei nur schwer unterscheidbaren Arten auf: Die Weiß- oder Sandbirke wird etwas größer und bevorzugt mehr trockene Böden. Die Moor- oder Haarbirke wächst eher an feuchten Standorten und hat leicht behaarte Blätter. Gemeinsam ist aber beiden ihre außerordentliche Anspruchslosigkeit. Sie gedeihen auf kargen Böden ebenso wie auf Schuttflächen und selbst noch in den Fugen von Steinen. Philipp Fürst erfreute sich mehrere Jahre an einer Pflanze, die in einem Ring am Schornstein Wurzeln geschlagen hatte und dort immerhin eine Höhe von drei Metern erreichte.

Als sogenannte Pionierpflanze kann die Birke auf Ödland eine natürliche Bewaldung einleiten. Dies tat sie auch nach der Eiszeit, vielleicht gemeinsam mit der Kiefer und Pappel, die sie aber in ihrer unmittelbaren Nähe nicht duldet. Mit ihren dünnen elastischen Zweigen bearbeitet die Birke ihre Nachbarn bei Sturmwind derartig heftig, dass deren Wipfel absterben.

Kaum eine Pflanze wird in so vielfältiger Weise verwendet wie die Birke. Früher benutzte man das Holz für Schlittenkufen, Deichseln, Tröge, Löffel, sogar Schuhe und Trinkgefäße. Aus der extrem widerstandsfähigen Rinde stellte man Schindeln zum Dachdecken her. Aus dem gemaserten Wurzelholz fertigte man Pfeifenköpfe und Gewehrkolben. Heute liefert das Holz ein beliebtes Furnier für Möbel und Vertäfelungen. So gesehen ist es zum Verbrennen eigentlich viel zu kostbar, obwohl es kein besseres Kaminholz gibt.

Die weiße Rinde der Birke kann man als Papierersatz verwenden. Mancher deutsche Kriegsgefangene in Russland hat seine Notizen auf Birkerinde geschrieben. In Notzeiten hat man die Birkenrinde gelegentlich zu Mehl gemahlen und Pfannkuchen daraus gebacken. In jüngerer Zeit machte man sogar Schießpulver daraus, berichtete Philipp Fürst.

Durch Erhitzen unter Luftabschluss gewinnt man aus der Rinde den stark duftenden Birkenteer, der zum Konservieren von Holz und als Schmierstoff dient. Durch weitere Verarbeitung wird daraus Birkenöl gewonnen, das für die Lederverarbeitung aber auch als Heilmittel gegen Hautkrankheiten eine wichtige Rolle spielt.

Die Birke ist im Frühjahr außerordentlich saftreich. Wenn sie verletzt oder angebohrt wird, tritt aus der Öffnung eine klare Flüssigkeit aus. Bis zu 50 Liter kann einem Baum so entzogen werden. Dieser Birkensaft hat heute noch eine große wirtschaftliche Bedeutung. Er liefert den Grundstoff für Haarwasser, das bei Haarausfall, Kopfjucken und Schuppen Anwendung findet. In manchen Gegenden wird aus dem Saft auch eine schmackhafte Limonade und, durch weitere Vergärung, der gern getrunkene Birkenwein hergestellt.

Bei dieser Vielseitigkeit überrascht es nicht, dass die Birke im Leben unserer Vorfahren eine ganz besondere Stellung einnahm. Allein ihr Name ist uralt und hat Eingang in viele germanische Sprachen gefunden. Seit ältester Zeit gilt sie im Volksglauben als der Baum der Freude. Sie war Frigga geweiht, der Göttin der Liebe und des häuslichen Herdes. Diese Göttin verwandelte die heiligen Bäume nachts in schöne, weiße Frauen, die mit ihrem grünen Zauberschleier jeden erblinden ließen, der sich ihnen in böser Absicht näherte.

Der Maibaum, der zum ersten Mai oder zu Pfingsten den Mittelpunkt des Frühlingsfestes mit Musik, Tanz und Gesang bildete, war fast immer eine Birke. Ein Mädchen erhielt zum Zeichen der Zuneignung von Ihrem Verehrer heimlich einen „Maienstrauch“ vor das Fenster gestellt. Allerdings – auch Ruten wurden nach altem Brauch gern aus der Birke geschnitten, um damit ungehorsame Kinder zu bestrafen. 

Hans-Rudolf Mengers

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