RÜSTRINGER HEIMATBUND e. V.

 

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Stellmacher und Schmied arbeiteten Hand in Hand

Um in früheren Zeiten ein gutes Wagenrad herzustellen, bedurfte es einer großen Kunstfertigkeit der damit betrauten Handwerker. Meist arbeiteten Stellmacher und Schmiede Hand in Hand. Mit der Herstellung von Wagenrädern beschäftigte sich vor einiger Zeit der heimatkundlichen Klönabend des Rüstringer Heimatbunds.

Noch um die Jahrhundertwende arbeiteten in dieser Gegend vier Stellmacher, berichtete Harald Künnemann aus Süllwarden. Es waren alteingesessene Betriebe, da es fast unmöglich für einen jungen Meister war, sich selbständig zu machen, wenn er kein wohlsortiertes Lager aus gut abgelagertem Holz hatte. Zum Beispiel muss Holz für die Nabe aus Rüster (Bergulme) sein und mindestens sieben Jahre gelagert haben, weil es dann nach der Bearbeitung nicht mehr reißt, selbst wenn die zwölf Zapfenlöcher für die Speichen hinein geschlagen sind.

Weiter benötigte man Eichenholz für die Speichen und Eschenholz für die Felgen. Für das Fahrgestell benutzte man Buche oder Esche. Ein Stellmacher musste also auch gute Holzkenntnisse vorweisen. Sollte der fertige Wagen später allen Belastungen standhalten, so kam es ganz wesentlich darauf an, die richtigen Hölzer mit größtmöglicher Präzision zusammenzusetzen.

Ein besonderes Problem bei der Konstruktion eines Rades war die Beachtung des Sturzes, das ist die Abweichung von der Senkrechten. Bereits die Achse ist an ihren Enden leicht nach unten gebogen. Damit nun das Rad nicht auf der Kante abrollt, müssen die Speichen Felgen und Reifen diesen Winkel wieder aufnehmen. Deshalb erscheint das Wagenrad immer gewölbt. Diese Schrägstellung hat den Vorteil, dass für die Wagenaufbauten zwischen den Rädern mehr Platz vorhanden ist.

Das Zusammenfügen aller Teile geschieht ausschließlich durch Zapfen und Dübel, zusammengehalten wird das Rad aber letztlich durch einen Eisenreifen. Diesen Arbeitsgang hatte der Schmied zu verrichten. Hans-Georg Suhr aus Waddens, der selber Schmiedemeister ist und diese Arbeiten noch durchgeführt hat, berichtete im Folgenden darüber. Ein Stellmacher tat gut daran, sich „seinen“ Schmied zu suchen. Das Vertrauen der beiden Handwerker zueinander wurde auch durch den Spruch untermauert: „De Schmid is dän Stellmaker sein Broer.“

Neue Reifen hatten durchweg eine Stärke von 12 mm und eine Breite von 100 mm und wurden als Flachstahl bezogen. Vorderräder der Ackerwagen hatten im Schnitt einen Durchmesser von 1,20 m, die Hinterräder 1,40 m. Das ergab dann eine Länge von ca. 3,80 m bzw. 4,40 m und ein Gewicht für den Vorderreifen von 36 kg und fast 42 kg für den Reifen vom Hinterrad. Nach dem Biegen des Eisens ging es ans Feuerschweißen, denn die beiden Enden des Reifens mussten miteinander verbunden werden. Viel Geschick, Erfahrung, Kraft und meisterliches Können waren nun gefragt. Eine gute Naht war mit bloßen Augen kaum auszumachen. Sie musste ineinandergelaufen sein.

Wichtig dabei war, dass der Reifen kleiner als das Rad war. Bei einem guten neuen Rad durfte der Reifen 14 bis 18 mm kleiner sein. Da er sich durch das Erhitzen weitete, konnte er im glühenden Zustand über die Felge geschlagen werden. Kühlte er dann ab, zog er sich zusammen und presste die Teile ineinander. Natürlich musste man aufpassen, dass das Holz nicht Feuer fing, deshalb war beim Reifenbinden immer der Löschtrog mit Wasser in der Nähe.

War das Werk vollendet, machte der Meister die Klangprobe. Er schlug einmal mit dem Hammer auf den Reifen. Klang es hell, war alles in Ordnung. An dunkle, matte Klänge kann sich Hans-Georg Suhr aber auch erinnern, das waren in der Nachkriegszeit die total abgelaufenen Reifen, die wegen der Materialknappheit noch wiederverwendet werden mussten. Hier sagte der Meister schon im Voraus: „Wie schalt ick de Tunnenbänner bloots woller fast kriegen?“

Hans-Rudolf Mengers

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